“Widerstand formieren – rechtzeitig!”
Erinnerung an Peter und Ettie Gingold
Aus unsere zeit – Zeitung der DKP vom 13. Mai 2011; von Bettina Mandellaub
Gerne hätten die knapp 300 Besucher der Matinée am 8. Mai 2011 im DGB-Haus die Zwischentür des angrenzenden Raums aufgeschoben – so eng war es im Saal. Ging aber leider nicht – der war besetzt. Geladen hatte die Gingold-Initiative zu der Veranstaltung: “Erinnert Euch! – Ettie und Peter Gingold”.
Das Datum der Veranstaltung konnte nicht besser gewählt sein: Der 8. Mai, die Befreiung vom Nazi-Faschismus! Zwei Menschen, die ihr Leben eingesetzt hatten gegen die Naziherrschaft und die auch danach zeitlebens (zum Glück noch ein langes Leben lang!) gegen die Ursachen, Betreiber und Nutznießer von Krieg und Faschismus kämpften – das waren Peter und Ettie. Die dabei freundliche, liebenswerte und warmherzige Menschen blieben, ohne Verbitterung. Die Frauen und Männer auf dem Podium, die die beiden kannten und schätzten, erzählten davon in ihren Beiträgen.
Alle sagten, dass der Funke “immer übersprang”, wenn Peter vor seinen Zuhörern, jungen Leuten und auch politisch andersdenkenden Menschen, seine Erlebnisse aus dem Krieg, der Gefangenschaft und der gefährlichen Arbeit in der Résistance schilderte. Er kannte keine Berührungsängste und war von einem breiten Spektrum aktiver Menschen geachtet. Irgendwie griff bei ihm das alte Vorurteil gegen Kommunisten nicht. Aber Peter und Ettie waren keine “Helden” nach gängigen Vorstellungen. Sie waren ganz normale Menschen, die jeder verstand. Und doch so beispielhaft!
Es war für beide eine Selbstverständlichkeit – so erzählt Peter in dem gerade entstandenen Film, der von ihrem Leben und Wirken handelt – nach dem Krieg in dieses verabscheute und von vielen gehasste Deutschland zurückzukehren. Warum? Weil sie an der Gestaltung eines neuen, eines wirklich demokratischen Deutschlands mithelfen wollten, nach allen Kräften. Nie hätten sie gedacht, dass es zu einer Remilitarisierung kommen würde und danach zu einem neuerlichen Verbot der KPD, bis hin zu den heutigen Kriegen, die ganz selbstverständlich von deutschem Boden ausgehen! Dieser Entwicklung setzten sie all ihre Aktivität entgegen, resignierten nie. In der antimilitaristischen und Friedensbewegung, in der sich besonders Ettie engagierte, und im Kampf gegen die Neonazis waren die beiden ein Team, das einfach zusammengehörte, wie Anka Hätzel im Podium bemerkte. Und Katinka Poensgen wies ganz praktisch auf die Gültigkeit der Hauptaussage von Peter hin – dass man den Kampf gegen die Neonazis und ihre Ursachen in einem gemeinsamen, direkten und rechtzeitigen Kampf führen muss – nicht weitab vom Geschehen. Blockieren und keinen Fußbreit zulassen, ehe es wieder zu spät ist!
Lena Carlebach wies auf die Schwierigkeit hin, das Vermächtnis der antifaschistischen Zeitzeugen zu erhalten. Jetzt müssen die Zeitzeugen der Zeitzeugen das vorhandene Wissen dokumentieren und an die neue Generation weitergeben – nur so können wir verhindern, dass die mit aller Gewalt betriebene Geschichtsverfälschung durchkommt! Hans Heisel, ebenfalls im Podium, erzählte Episoden seiner Arbeit als Wehrmachtsangehöriger in der Résistance und der Freundschaft zu den Gingolds. Gleichzeitig wurde uns dieser liebe Genosse, als wir sein verschmitztes Lächeln sahen, gestern irgendwie in unsere heutige Gegenwart zurückgebracht. Das unterstrich Siegmund, der jüngste Bruder von Peter, der mit fast 89 Jahren die Worte seines Bruders “nie zu resignieren” unterstrich. Mit dem Gingoldschen Schmunzeln in den Augen bedankte er sich bei den Anwesenden “seiner großen Familie” für das gemeinsame Engagement. Nicht wenigen liefen während des Redebeitages und der dann anschließenden “stehenden Ovation” die Tränen über das Gesicht – Tränen der Trauer, aber vorwiegend der Zuversicht.
An diesem Sonntag spürten wir, dass uns das Beispiel dieser beiden Genossen alle anspornt: Vor allem im Formieren des Widerstands – rechtzeitig!